Alles, was nicht aufgeschrieben ist, ist bereits vergessen

 

2022 - fortlaufend

Notizzettel, Garn, Papier

37 x 31 cm

 

 Im Frühjahr 2022 begann ich handgeschriebene Notizzettel auf den Straßen Berlins aufzusammeln und die Texte mit weißem Garn auf Papier zu sticken. Der Faden schreibt sich buchstäblich in das Material ein und hält die Vergänglichkeit der Notizen auf. Häufig stehen die Notizen auf kleinen, zerknitterten und schmutzigen Zetteln, die eine kurze Lebenszeit haben. Sie sind Teile des Stadtbildes und befinden sich im Raum des Flüchtigen. Sie existieren bis der nächste Windstoß, der nächste Regen oder das nahende Reinigungsfahrzeug kommt. Es sind Notizen, Spuren, Erinnerungen, Anfänge von kleinen Geschichten, Einkaufszettel, Zahlenkolonnen, Rezepte, nicht dechiffrierbare Gedanken und Nachrichten, – unabsichtlich hinterlassene Informationen und Verweise auf das, was wichtig war zu erinnern. Jeder dieser Zettel erzählt viel mehr als die reine Bedeutung der Worte. Es lassen sich Rückschlüsse über die Leben und Verhaltensweisen der Menschen ziehen: In welcher Sprache wird sich erinnert und welche Codes werden genutzt? Welche Produkte werden gekauft und welche Termine wahrgenommen? Wie leserlich ist die Handschrift? Gleichzeitig werden sie, losgelöst von ihrem eigentlichen Zweck, zu einer abstrakten Aufzählung von Dingen – zu einer Poesie des Alltags, geschrieben von unbekannten Menschen in meiner Umgebung.